Mittwoch, 7. Mai 2008
Die Zukunft des Kinos
Die Zukunft des Kinos! Welch bedeutungsschwangere Formulierung! Stellt sich überhaupt diese Frage? Angesichts drastischer Umsatzeinbußen, die auf P2P-Dienste zurückführen sind und offensichtlich nur unzureichend durch DVD-verkäufe aufgefangen werden, muss man die Frage mit einem schlichten Ja beantworten. Mittlerweile erwirtschaften andere Branchen im Unterhaltungssegment einen signifikant höheren Umsatz als die Kino- oder Musikbranche überholt, als da an Platz eins Computerspiele zu nennen sind. Tendenz steigend.
Immer weniger Menschen lösen eine Kinokarte, was auf eine andere Freizeitnutzung zurückführen ist. Besonders Jugendliche verwenden immer mehr Zeit darauf, sich nicht mehr passiv vor eine flimmerende Leinwand zu setzen, sondern sich interaktiv am Geschehen zu beteiligen. Diese Entwicklung, die durch Online Spielen heutzutage greifbar ist, begann in den 90ern mit dem Titel „Ultima Online“ und wurde in den letzten Jahren, dank technischer Aufrüstung durch Breitbandinternet, durch Titel wie „World of Warcraft“ oder „Everquest“ zu einem Massenphänomen. Durch die fortschreitende Technik werden immer ausgefeiltere, größere und fantasievollere Welten möglich. Noch vor einigen Jahren wurden Computerspiele belächelt, doch gelten sie mittlerweile sogar unter den Feuilletons als Kunstwerke. Der große Vorteil an Onlinespielen ist die Kommunikationsfähigkeit zu anderen Teilnehmern, so dass man im Lauf der Zeit sich ein soziales Netzwerk aufbauen kann, und das Erleben einer gestellten Aufgabe als Gruppe, was Zusammengehörigkeitsgefühl wie bei einer Fußballmannschaft schafft. Dies ist eine Entwicklung gegen die das Medium Film bis jetzt keine Alternative bieten, denn sich an einer Geschichte aktiv beteiligt zu sein, ist für viele Konsumenten um ein vielfaches spannender.
Eine weitere Problematik ergibt sich dadurch, dass vor allem die Hollywoodstudios auf Blockbuster und den daran folgenden angehängten Sequels setzen, die sicheren Einnahmen vor Augen. Folglich spielen die erzählten Geschichten, die das Publikum vorgesetzt bekommt, in einem eng begrenzten Rahmen. Das Wagnis einen Film auf Leinwand zu bringen, der nicht unbedingt 100% massenkompatibel ist, sind immer weniger Studios bereit einzugehen. Jedoch schneiden sich die Studios damit ins eigene Fleisch, wenn sie den Kinogängern immer dieselbe Kost vorsetzen. Irgendwann schmeckt es einfach nicht mehr.
Welche Möglichkeiten könnte das Kino anbieten, den Zuschauer wieder in die Filmsäle zu locken? Immer mehr CGI-Effekte in die Filme zu stopfen, wie es zur Zeit bei der Welle von Comicverfilmungen(Hulk,Spiderman, Iron Man usw.) praktiziert wird, kann auf Dauer nicht funktionieren. Auch die Spezialisierung von bestimmten Kinos zu Luxusfilmtempeln, die aus einem Filmabend ein Event gestalten, mit teurem Abendessen, lauschigen Filmkabinen für ungestörtes Zusammensein und riesigen bequemen Sesseln, ändert an dem Grundproblem des Films nichts.
Die Lösung liegt in einer technischen Revolution, wobei es verschiedene Optionen gäbe. Aktuell wird gerade daran gearbeitet, dass die erzählte Geschichte mit den menschlichen Sinnen erfahrbarer gemacht werden soll. So soll der Sitz verstellbar sein und sich den gezeigten Bildern anpassen, was bei einem Actionfilm einer kleinen Achterbahnfahrt gleichkäme. Auch Duftproben sollen in den Zuschauerraum geblasen werden, zum Beispiel bei einer Autoverfolgungsjagd kann man den Gummi der Reifen riechen. Dieses Verfahren wäre sicher sehr aufwendig, dafür würde die erzählte Geschichte einen viel tieferen Eindruck hinterlassen und die Zuschauer entsprechend tiefer ins Portemonnaie greifen. Doch scheinen bisher technische Probleme(das Abziehen des Duftes, um wieder Platz zu machen, für einen neuen olfaktorischen Eindruck der nächsten Szene, scheint noch nicht hinreichend gelöst zu sein) den Einsatz bisher zu verhindern. Eine andere Möglichkeit wäre an bestimmten neuralgischen Punkten des sich entwickelten Plots das Publikum darüber abstimmen zulassen, wie die Protagonisten auf der Leinwand sich in dieser Situation verhalten sollen. Der Zuschauer würde Einfluss auf das Geschehen nehmen und ihm ein wenig Interaktivität zugestehen, was sogar weitere Kinobesuche reizvoll machen würde, um sämtliche Varianten der Geschichte zu Gesicht zu bekommen. Der Nachteil wäre für die Filmproduzenten viele Kilometer mehr belichtetes Filmmaterial, das belichtet werden muss. Schließlich eröffnet jede Abzweigung neue Möglichkeiten, die sich wie in einem Schneeballsystem ausbreiten. Die Investitionen in ein solches Projekt wären erheblich größer, doch wer sich die Gunst des Publikums erhalten will, muss letztlich Risiken auf sich nehmen. Denn wenn die Filmindustrie nicht bereit ist, sich zu wandeln, wird sie auf Dauer ein Nischendasein führen. Auf die kommenden Entwicklungen darf man gespannt sein. Film ab!

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